Dynamik

Mit dem Wort „dynamisch“ verbinden wir in der Regel so etwas wie lebendig und agil. Im weiteren Sinne vielleicht auch rhythmisch, treibend und energetisch. Alles Attribute, die eine Anlage – sofern sie entsprechend aufspielt – dem Ziel, „der oder die Musiker sind anwesend“, näher bringt. Eine besonders dynamische Anlage wird mehr „Livecharakter“ haben als eine weniger dynamische. 

Die technische Definition von Dynamik ist recht simpel. Sie beschreibt lediglich die Lautstärkedifferenz zwischen leisestem und lautestem Ton in Dezibel. Bei einer Anlage wäre das der Bereich zwischen Rauschen und lautestem, unverzerrtem Ton. Es ist offensichtlich, dass diese Definition in keiner Weise hinreichend ist, um den Klangcharakter einer dynamischen Anlage zu beschreiben. Was macht also eine Anlage dynamisch?

Zunächst hängt die Erfahrung eines dynamischen Klangbilds natürlich von der Aufnahme und von der Musikrichtung ab. Sinfonien beispielsweise zeichnen sich durch einen großen dynamischen Bereich aus. Vom pianissimo zum fortissimo können bei einem Livekonzert Lautstärkedifferenzen von über 100dB liegen – also über dem dynamischen Bereich einer CD (redbook) und weit über dem dynamischen Bereich einer Schallplatte. Somit ist die Tonkonserve selbst bereits ein limitierender Faktor. 

Einer der größten Einflussfaktoren auf die Dynamik ist heutzutage allerdings die Aufnahmetechnik selbst. Klingt zunächst paradox, da die Technik sich in den letzten Jahrzehnten sehr verbessert hat und einen dynamischen Umfang von 120dB und mehr erlaubt. Es ist vielmehr der übereifrige Einsatz von Kompressoren, der die Dynamik einer Aufnahme zum Teil auf unter 10dB begrenzt, mit dem Ziel, besonders laute Songs zu erzeugen. Der unter dem Begriff „Loudness War“ in die HiFi-Analen eingegangene Trend produziert die Songs so, dass sie im Radio oder auf einfachen Wiedergabesystemen voluminöser und üppiger klingen, mithin der Hörer den Song oder die Radiostation bevorzugt hört.
 Auf guten Anlagen sind solche Aufnahmen ein Grauen - flach, künstlich und kilometerweit weg von einer authentischen Musikreproduktion. Gottseidank scheint es mittlerweile ein Einsehen zu geben und der Trend ist rückläufig - man findet zusehends mehr Pop/Rockalben mit vernünftiger dynamischer Abmischung. 

Zurück zu dem Wiedergabesystem und der Verarbeitung von dynamischen Musikmaterial. Je unmittelbarer, ansatzloser und gefühlt unbegrenzter eine Anlage dem Energiefluss folgt, umso dynamischer erleben wir die Musik. Die limitierende Komponente ist letztlich die mit der größten Trägheit und das ist - mit weitem Abstand - der Lautsprecher. [Im erweiterten Sinn auch die Verstärker /Lautsprecherkombination, da der Lautsprecher eine komplexe Last darstellt, die – wenn die Impedanz in den Keller geht – den Verstärker in die Knie zwingt, wenn dieser nicht genügend Strom zur Verfügung stellen kann.] 

Lautsprecherentwickler haben unterschiedliche Ansätze, um die Impulsverarbeitung oder Sprungantwort zu verbessern. Membranmaterialien sollten leicht und steif sein, um einen Impuls möglichst schnell und unverzerrt zu verarbeiten – Materialien aus Keramik, Aluminium, Beryllium, Carbonfaserstoffe und Kohlenstoff (Diamant) kommen zusammen mit starken Antrieben (Neodym) zum Einsatz. Andere Chassiskonzepte wie Biegewellenwandler, Air Motion Transformer oder Ionenhochtöner zeugen von dem Bemühen der Entwicklerszene, Lautsprecher zu entwerfen, die möglichst schnell und unverfälscht Musikimpulse verarbeiten. Es gibt eine ganze Reihe von „Lautsprecherarten“, die entwickelt worden sind, um bestimmten, inhärenten Limitationen von Lautsprechern zu begegnen. Im Falle der dynamischen Begrenzung von Lautsprechern ist sicherlich das Hornkonzept hervorzuheben. 

Einfach ausgedrückt ist ein Hornlautsprecher ein „normaler“ Lautsprecher mit nachfolgender Hornöffnung. Das Horn ermöglicht es, die Schallenergie des Treibers gezielt auf den Hörer zu richten und somit zu verstärken. Oder anders ausgedrückt, das Horn erhöht den Strömungswiderstand und erhöht somit die Effizienz der Schallübertragung. Hornlautsprecher sind bekannt für ihre sehr dynamische Spielweise und in audiophilen Kreisen sehr beliebt, da sie aufgrund ihres hohen Wirkungsgrad sehr gut mit eher leistungsschwachen Röhrenverstärker kombiniert werden können. Allerdings sind Hornlautsprecher in den Dimensionen üppiger, teurer und können in manchen Fällen tonal nicht überzeugen.

Woran erkennt man nun eine Anlage, die in dem Eingangs beschriebenen Sinne „dynamisch“ aufspielt und Impulse schnell, unverzögert und unbegrenzt weitergibt? Zunächst kann man entsprechende Teststücke auswählen. Bewährt haben sich Schlagzeug- oder Trommelstücke. Insbesondere wenn das Schlagzeug schnell gespielt und die Lautstärke in realistische Dimensionen „aufgedreht“ wird, zeigt sich die Impulsverarbeitungsfähigkeit des Wiedergabesystems. Im besten Fall hört man nicht nur sauber getrennte, impulsive Schläge, sondern auch das Vibrieren der Felle. Ein weiterer guter Indikator ist der „Wippfaktor“. Wenn Füße oder Kopf mit dem Rhythmus „wippen“ und die Anlage „Rhythmus“ zu haben scheint, kann die Impulsverarbeitung nicht schlecht sein. Im angelsächsischen Raum spricht man auch von PRaT – Pace, Rythm and Timing. Eine solche Anlage macht wirklich viel Spaß, vorausgesetzt der musikalische Fluss bleibt erhalten.